Der Fließer Kirchtag am Maria Namensfeste, am ersten Sonntag nach Maria Namen, ein großes Kirchen- und Volksfest (vor 150 Jahren)
Acht bis vierzehn Tage wurde in Haus u. Küche alles instand gesetzt und die Wege zum Dorf und die Dorfgassen schön hergerichtet.
In den sogenannten ,,Quaderäckern", wo man in feierlicher Prozession hinausging, wurde am Vortag vom Anwalt der Gemeinde oder dem Vorsteher und zwei Ministranten das ,,große M", das als Prozessionsweg aus den ,,Türkenäckern" geschnitten war, mit belaubten Eschenreisern ausgesteckt.
Eine Woche vor dem Kirchtag gingen 2 Schaftreiber auf die Zandersalpe um Stechschafe (fette Widder) heraus zu holen. Nachdem schon jeder Gastwirt manchmal 20 - 25 Schafe benötigte und auch manche Bauern für ihre Familien ein Schaf bringen ließen, wurden so für den Kirchtag öfters an die 100 Schafe herausgeholt. Zu dieser Zeit waren ca 1000 Schafe auf der Zandersalpe.
Das typische Kirchtagsmenü für die Fremden, die hier keine Verwandten hatten bestand in den Gasthäusern aus: 1 Teller gute Fleisch- od. Nudelsuppe, einer gehörigen Portion Braten mit Beilagen, Kirchtagskrapfen, Kiachla, Torte u. Konfekt oder Dörrobst. Auch dem Wein wurde manchmal ziemlich zugesprochen.
Der Gastwirt zum Weißen Kreuz und manchmal auch die Wirte zum Schwarzen Adler und zur Traube hatten am Samstag vor dem Feste eine große Kegelbahn vor dem Gasthaus aufgerichtet. Am Kirchtag-Nachmittag wurde dann aufgekegelt - oft bis zur Dunkelheit. Der Preis für den besten Kegler war ein besonders schöner, weißer gehörnter Widder. Einige Tage vorher liefen auch die Vorbereitungen zur Prozession: Musikanten putzten ihre Instrumente, Schützen ihre Gewehre. Die Fahnenträger übten sich im Fahnenschwingen. Die schönen Trachten des hl. Isidor und der hl. Barbara kamen zur Anprobe und auch die Kranzjungfrauen probierten ihre schönen Kleider.
Am Nachmittag und Vorabend kamen dann die Fremden aus den Gemeinden jenseits von Piller (Arzl und Pitztal) vom Gachen Blick herunter, sowie vom Kaunertal und vom Oberen Gericht; ebenso vom Stanzertal, Paznauntal und von der Landecker Gegend herauf, soweit die Leute nicht mit dem Kreuzgang am Kirchtag in der Früh nach Fließ gekommen waren. An Kreuzgängen kamen auf Maria Namen die Leute von See, vom Piller, der Kreuzgang von Zams (bis in die 9Oiger Jahre des 19.Jh.)
Es war zu dieser Zeit allgemein der Brauch, mit dem Kreuzgang auf einen Kirchtag zu gehen. So gingen z.B. die Fließer am 2. Juli auf den Kirchtag nach Serfaus , den 3. Mai nach See; die Fraktion Piller war verpflichtet an Maria Namen prozessionsweise nach Fließ zu kommen. In den 70iger Jahren (19.Jh.) gingen die Fließer anstatt des weiten Weges nach See und Serfaus - am 3. Mai den kürzeren Weg nach Prutz u. Maria Heimsuchung nach Ried. Das Tagläuten mit der ,,Nuien" (Maaßglocke) dauerte 1 Stunde v.4-5Uhr - in den Läutepausen wurden immer 3 große Böllerschüsse neben der Kirche abgefeuert. Nach dem Betläuten begann dann der musikalische Weckruf der Musikapelle (Tagreveille) die bei schönem Wetter spielend durchs Dorf zog.
Nach der Frühmesse und Frühstück kamen dann die die fremden Kreuzgänge und zogen in die St. Barbarakirche ein. Um 9:00 begann die Predigt und das feierliche Hochamt. Die Musikkapelle und die 100 Mann starke Schützenkompanie zogen vom Dorfplatz ein. Nach dem Hochamt zogen dann die Kinder mit dem Vortragkreuz durch die Barbaragasse hinauf. Die rote Kinderfahne wurde von drei Burschen getragen. Inmitten der großen Knabenschar ging ein größerer Knabe als der hl. Isidor (in Tracht mit Stab und Hirtentasche) und zwei Begleitern (Schäfer).
Daran reihten sich die vielen Jünglinge und Männer. In dieser Gruppe wurde die hl Schutzengel-Statue von 4 ledigen Schützen (in Tracht - bockshäutene Hosen u blaue oder weiße Strümpfe und Schnallenschuhe) mitgetragen.
Ebenso trugen 3 Burschen abwechselnd die große gelb/rote Jünglingsfahne. Mitten unter den Männern wurde von 3 Männern die große grüne Männerfahne mitgetragen. Hinter ihnen reihten sich dann die vielen Schulmädchen in weißen Kleidern u. Kränze, die die Leidenswerkzeuge, eine kleine Muttergottesstatue, Fähnchen u. andere Abzeichen mittragen.
Jetzt reihten sich die vielen Kranzjungfrauen mit den Statuen der Unbefleckten Empfängnis, der hl. Barbara u der weiß/roten Fahne der Jungfrauen ein. Vor der Statue der Unbefleckten Empfängnis ging auch eine Frau als hl. Notburge in einer schönen alten Tracht als Bauernmagd mit Sichel und Weizengarbe mit. Ein größeres Mädchen ging vor der Statue der hl. Barbara, als hl. Barbara, gekleidet mit weißem ,grünen gestickten Einsätzen u. Schleifen, mit roten Perlen geschmücktem Mantel, einer Krone und einem goldenen Kelch und zwei Begleiterinnen (Schäferinnen) mit.
Hierauf folgte die Musikkapelle in ihrer alten Tracht und dem Kapellmeister, Lehrer u. Organisten Josef Wörz. Daran reihte sich die große Schützenkompanie mit der alten Schützenfahne und der 1809 in Pontlatz erbeuteten Schützentrommel.
Damals befehligte Schützenhauptmann Kassian Schlapp die Kompanie und begleitete die Prozession auf einem Reitpferd durch die Quaderäcker.
Nun folgten die Chorsänger, Sängerinnen, Ministranten u. die Geistlichkeit, die Lampenträger , das Allerheiligste mit den Himmelträgern, Ministranten, als Engel verkleidet.
Hinter dem Himmel reihten sich verschiedene Honoratoren und die Frauen mit der Statue der hl. Mutter Anna, der großen blauen Fahne, welche von 3 Männern getragen wurde. Wenn die letzten Frauen auf dem Weg zum Quaderacker hinaus gingen, waren die Kinder mit dem Kreuz schon wieder auf dem Weg ins Dorf. Die Prozession endete gegen 12:00 Uhr. Nach der Prozession wurden die vielen Anverwandten aus den umliegenden Gemeinden begrüßt und zum Kirchtagessen nach Hause genommen.
Aufgetischt wurde in den bäuerlichen Häusern
1. Knödel mit Sauerkraut oder Salat
2. sauer eingemachtes Fleisch mit Gugelhupf u. Krapfen
3. Schöpsernes oder Hammelfleischbraten mit Kartoffeln, Apfelkompott u. gedörrten Zwetschken
4. Kirchtagskrapfen, ,Kiachla mit Nuis Schmalz (stark abegrührtes Weizenmus mit Bienenhonig.
In ,,besseren Häusern" bestand das Essen aus
1. Milzschnittensuppe und in Eier getauchte gebackene Weißbrotschnitten - groß gewürfelt
2. Kalbskopf mit Limoni, Essig und Öl und Kopfsalat.
3. Rindfleisch mit Gelbrüben und Rohnen garniert, sowie Kartoffel und Kohlrabi, Kren und Senf
5. Gebratene Hühner mit Apfelkompott und eingesottene Zwetschken.
6. Obst, Konfekt u. Kaffee.
Nach dem Essen wurden die Erlebnisse und Neuigkeiten erzählt und ging dann um 3 Uhr zur Vesper in die St. Barbarakirche. Nach der Vesper gab es zur Marend Kaffe mit Kirchtagskrapfen, Kiachla, Gugelhupf Torte oder anderes Gebäck.
Hierauf ging man ins Dorf um den Kegelspielern zuzuschauen.
Manchmal kam die Musikkapelle von Landeck Prutz oder Ried, die dann vor irgend einem Gasthaus Platzmusik machten. Manchmal waren so viele Leute in den Dorfgassen, dass man kaum noch hindurch kommen konnte.
Um 1890 hörte die große Kirchtagsfeierlichkeit sowohl hier als auch in den anderen Gemeinden auf und blieben auch die Kreuzgänge von den Nachbargemeinden aus.
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